06.12.2023 - Informationsschreiben
Gemeinnützige Stiftungen liechtensteinischen Rechts
In der Ausgabe 4/2023 des Magazins PRIVATE finden Sie einen informativen Artikel zum Thema "Gemeinnützige Stiftungen liechtensteinischen Rechts".
Liechtenstein wird immer mehr als herausragender Philanthropiestandort anerkannt.
Gemäss einem Ländervergleich aus dem Jahr 2022 bietet Liechtenstein den besten Standort weltweit für gemeinnützige Stiftungen und philanthropisches Engagement. Zu diesem Ergebnis kam der Global Philanthropy Environment Index der Universität von Indiana in den USA: Liechtenstein schneidet hierbei im Ländervergleich mit 91 Staaten auf dem ersten Rang ab, noch vor Norwegen, der Schweiz, Deutschland und den USA. Entsprechend erfreuen sich gemeinnützige Stiftungen liechtensteinischen Rechts wachsender Beliebtheit.
Beide Autoren dieses Beitrags sind seit vielen Jahren als Berater und Stiftungsräte für mehrere solcher Stiftungen tätig. Als Angestellte des Allgemeinen Treuunternehmens (ATU) in Vaduz kennen sie die Materie auch noch aus einer anderen Perspektive, hat doch der Gründer des ATU dieses bereits in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts an eine ausschliesslich gemeinnützige Stiftung übertragen, die «Stiftung Fürstlicher Kommerzienrat Guido Feger» (www.guido-feger-stiftung.li).
Diese hat sich als Unternehmensträgerstiftung zu einem der wichtigen Akteure im Dreiländereck Schweiz / Österreich /Liechtenstein im sozialen, karitativen und kulturellen Bereich entwickelt.
Grundlage und Bedeutung
Seit 1926 findet sich die rechtliche Grundlage für liechtensteinische Stiftungen im Personen- und Gesellschaftsrecht (PGR). Nach Inkrafttreten der grossen Stiftungsrechtsrevision im Jahr 2009 hat die Gesamtzahl der gemeinnützigen Stiftungen in Liechtenstein bis 2018 stetig zugenommen, und zwar von 1’103 auf 1’392. Nach einem leichten Rückgang bis 2021 ist die Tendenz wieder steigend. Ende Juni 2023 waren bei der liechtensteinischen Stiftungsaufsichtsbehörde (STIFA) insgesamt 1’378 gemeinnützige Stiftungen registriert. Wenn man sich vor Augen hält, dass in der viel grösseren Schweiz lediglich zehnmal mehr gemeinnützige Stiftungen registriert sind, wird einem die Bedeutung der Gesamtzahl solcher Stiftungen in Liechtenstein und die Strahlkraft des liechtensteinischen Stiftungsstandorts erst richtig bewusst. Diese ergibt sich aus dem Zusammenspiel verschiedener Faktoren, die nachfolgend übersichtsmässig angeschnitten werden sollen.
Liberale Grundhaltung des Gesetzgebers
Das liechtensteinische Stiftungsrecht ist geprägt von der liberalen Grundhaltung des hiesigen Gesetzgebers. Diese soll gewährleisten, dass der Wille des Stifters oder der Stifterin möglichst unverfälscht und ungehindert umgesetzt werden kann.
Diese Grundhaltung scheint bei mehreren Aspekten durch. Was zum Beispiel das geographische Tätigkeitsfeld liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen anbelangt, stellt das liechtensteinische Recht keine Einschränkungen auf. Auch im Falle einer Steuerbefreiung in Liechtenstein besteht keinerlei Vorschrift, dass ein gewisser Teil der Ausschüttungen im Land verbleiben muss, wie dies in anderen Jurisdiktionen manchmal verlangt wird.
Im Rahmen der Aufsichtstätigkeit über die gemeinnützigen Stiftungen tritt die liberale Grundhaltung dadurch zu Tage, dass vom Grundsatz einer Konformitätskontrolle der Handlungen des Stiftungsrats mit Gesetz und Statuten ausgegangen wird. Diese Legalitätskontrolle hebt sich ab von einer im Ausland verstärkt feststellbaren Tendenz zur Opportunitätskontrolle durch das Aufsichtsorgan.
Aus dem Verbot der Selbstzweckstiftung in Liechtenstein ergibt sich die Pflicht für gemeinnützige Stiftungen, grundsätzlich nach aussen wirksam aktiv zu sein. Dies bedeutet, dass die Ausschüttungen höher ausfallen sollen als die Kosten. Weitergehende konkrete Vorgaben zum Verhältnis von Kosten und Ausschüttungen oder detaillierte Ausschüttungsquoten bestehen nicht. Dies wird als Standortvorteil im Vergleich zu anderen Jurisdiktionen wahrgenommen, deren detailliertere Vorgaben der bunten Vielfalt der Realität oftmals nur begrenzt gerecht werden können.
Sitzverlegungen von bestehenden gemeinnützigen Stiftungen nach Liechtenstein oder aus Liechtenstein heraus sind grundsätzlich möglich, sofern ein vergleichbares Aufsichtsregime nachgewiesen werden kann. Entsprechend finden auch immer wieder Sitzverlegungen von bestehenden gemeinnützigen Stiftungen aus dem Ausland nach Liechtenstein statt.
Steuerbefreiung
In Liechtenstein können gemeinnützige Stiftungen über Antrag von der Steuerpflicht ausgenommen werden. Dabei müssen die Stiftungen nachweisen, dass neben der Erfüllung der Gemeinnützigkeit gemäss Art. 107 Abs. 4a PGR der gemeinnützige Zweck ausschliesslich und unwiderruflich verfolgt wird. Gemäss den letzten verfügbaren Zahlen von Ende 2019 waren von den damals 1’379 gemeinnützigen Stiftungen deren 1’192 steuerbefreit, was einem Anteil von 86% entspricht.
Doppelbesteuerungsabkommen Liechtenstein–Schweiz
Auch wenn die Mehrzahl der gemeinnützigen liechtensteinischen Stiftungen steuerbefreit ist, steuert das Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Liechtenstein und der Schweiz (DBA FL– CH) Aspekte bei, die zur Attraktivität des Stiftungsstandorts Liechtenstein beitragen.
Häufig investieren gemeinnützige juristische Personen im Umfeld des Schweizer Frankenraumes in börsenkotierte Schweizer Aktiengesellschaften. In der Schweiz wird mit 35% eine sehr hohe Verrechnungssteuer auf Dividendenauszahlungen zurückbehalten. Dazu wird im DBA FL–CH ausdrücklich festgehalten, dass steuerbefreite gemeinnützige Organisationen – also auch Stiftungen – das Doppelbesteuerungsabkommen in Anspruch nehmen können, ungeachtet der Tatsache, dass ihre Einkünfte steuerbefreit sein können. Dies bedeutet konkret, dass die Quellensteuer auf Dividendenauszahlungen über Antrag an die Eidgenössische Steuerverwaltung von 35% reduziert werden kann auf 15%. Dies summiert sich bei grossen Vermögen mit entsprechender Exponierung im Schweizer Aktienmarkt schnell zu einer Ersparnis von mehreren Tausend Franken pro Jahr.
Was die Stiftungsratshonorare von Schweizern bei liechtensteinischen Stiftungen anbelangt, so regelt das DBA FL–CH, dass diese abschliessend am Ort der Stiftung zu 12% zu besteuern sind. Somit erfolgt nach der Besteuerung in Liechtenstein keine weitere Besteuerung dieser Honorare am Wohnort des Schweizer Stiftungsrats mehr.
Gemeinnützige Stiftung als segmentierte Verbandsperson (PCC)
Am 1. Januar 2015 wurde die liechtensteinische Rechtsordnung mit der «segmentierten Verbandsperson» (SV) oder «Protected Cell Company» (PCC) um eine neue Möglichkeit erweitert, philanthropisch tätig zu sein. Dabei stellt die PCC keine neue Verbandsperson dar, sondern vielmehr eine neue gesellschaftsrechtliche Organisationsform, welche auf die bereits zur Verfügung stehenden Verbandspersonen Anwendung finden kann. Mit anderen Worten: Die PCC ist eine gesellschaftsrechtliche Gestaltungsform, zum Beispiel einer Stiftung, keine neue Gesellschaftsform. Dies ermöglicht zum Beispiel die Errichtung einer Dachorganisation zur Verfolgung gemeinnütziger Zwecke.
Die Stiftung als segmentierte Verbandsperson besteht, abgesehen vom Kernelement, aus einem oder mehreren Segmenten. Die Vermögen der einzelnen Segmente werden untereinander und vom Vermögen des Kerns getrennt – und bleiben getrennt. Jedes der Segmente wird einem eigenen in den Stiftungsdokumenten näher umschriebenen Tätigkeitsbereich bzw. Zweck unterworfen. So kann ein Segment dem Umweltschutz gewidmet werden, ein anderes der Verfolgung sozialer Zwecke etc. Dabei werden jedem Segment zur Zweckerreichung bestimmte Vermögenswerte zugeordnet.
Diese neue Möglichkeit zur Ausgestaltung einer gemeinnützigen Stiftung empfiehlt sich zum Beispiel aus Kostengründen. Der finanzielle Aufwand für die Errichtung als auch für die laufende Verwaltung ist weit geringer, als es bei einer eigenständigen Stiftung für jedes Teilsegment der Fall wäre. Zudem ist die Haftung zwischen den Segmenten getrennt, was in Einzelfällen vorteilhaft sein kann.
Mehrere der grösseren Treuhandgesellschaften in Liechtenstein haben in den letzten Jahren eigene gemeinnützige PCC gegründet. Dabei handelt es sich um Dachorganisationen zur gemeinnützigen Zweckverfolgung. Das Allgemeine Treuunternehmen (ATU) hat anlässlich des 90. Firmenjubiläums im Jahr 2019 die «Gemeinnützige ATU Stiftung SV» errichtet. Diese dient Mäzenen, welche für ihr wohltätiges Engagement keine eigenständige Stiftung vorsehen können oder wollen. Sie fügen sich mittels eines Segmentes in die bestehende Dachstiftung ein.
Öffentlichkeitsarbeit
Im Kontext des Inkrafttretens des revidierten Stiftungsrechts hat sich der Sektor der gemeinnützigen Stiftungen zudem neu organisiert und tritt seither verstärkt öffentlich auf, im In- und Ausland. Die 2010 gegründete «Vereinigung liechtensteinischer gemeinnütziger Stiftungen und Trusts» (VLGST) hat sich im letzten Jahrzehnt zu einem massgeblichen Akteur für den Sektor gemeinnütziger liechtensteinischer Stiftungen entwickelt. Den mittlerweile über 110 Mitgliedsstiftungen bietet die VLGST eine Plattform für interne und externe Vernetzung, Kooperation und Austausch.
Für weitere Auskünfte stehen Ihnen die Autoren dieses Artikels, lic. iur. Märten Geiger LL.M. (Brügge und Vaduz) und Dr. iur. HSG Peter Prast MBA (Chicago), TEP oder Ihr Kundberater/Ihre Kundenberaterin gerne zur Verfügung.
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